Das LG-Flaggschiff G7 ThinQ im Smartphone-Test
Das LG-Flaggschiff G7 ThinQ im Test
Was wurde seinerzeit alles orakelt: Das G7 von LG sei der Galaxy-Killer. Wenn LG sein neues Flaggschiff auf dem MWC (Mobile World Congress) vorstellen würde, könne das S9 gleich einpacken. Und auch jenseits des Samsung-Bashings standen die ex-modularen Südkoreaner im Ruf, wie ein Android-Phönix aus der Smartphone-Asche aufzuerstehen. Aber war das alles nur heiße Luft?
Sagen wir es einmal so: Das G7 bringt vom Display-Design über die Dual-Cam-Funktionalität bis hin zur vermeintlich unsäglichen Aussparung rund um die Front-Kamera alles mit, um top-notch zu sein (Wortspiel beabsichtigt). Dennoch wurde es für meinen Geschmack schon kurz nach dem Release wieder LG-typisch ruhig um das mit ThinQ ungewöhnlich betitelte High-End-Smartphone. Aber das muss ja nichts heißen, außer vielleicht, dass ich mir selbst ein Bild vom LG G7 ThinQ machen sollte, schließlich habe ich doch auch schon die beiden Vorgänger auf dem Tisch gehabt.
Display-Hit mit kleinen Mängeln
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Großes Display in platzsparendem Design
Überragende Bildleistung
Gute Leistung
Hochwertiges Design
Sehr detaillierte Software
Gute Sprachübertragung
Guter Lieferumfang
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Hardwareseitig unspektakulär
Durchschnittlicher Akku
Kamera & Kamera-Software vernichten Bilddetails
Software-Design zuweilen altbacken
Boombox-Sound nur bedingt sinnvoll
Werfen wir einen Blick in den Smartphone-Karton
LG hat schon seit mindestens 3 Smartphone-Generationen die Angewohnheit, ihre Premium-Telefone in recht kompakte und mehr oder minder neckische Kartons zu pferchen. Das G7 ThinQ macht hier erwartungsgemäß keine Ausnahme. Ein netter, kleiner, schwarzer Karton, der nicht viel größer ist als das Smartphone selbst, begrüßt mich mit der tiefstaplerischen Aufschrift „G7 ThinQ“ und offenbart gleich unter dem Deckel den LG-Androiden in seiner vollen Pracht.
Auf dem Display erwartet mich dann auch gleich eine Schutzfolie, die mir in marktschreierischer Manier die Vorteile des G7 ThinQ um die Ohren haut: vom superhellen Display über die AI-Kamera bis hin zu Boombox-Lautsprechern. Von Tiefstaplerei ist hier schon keine Spur mehr, allerdings scheint sich das G7 mit solchen Features auch mehr an die Multimedia-Fraktion verkaufen zu wollen als an die High-End-Hungrigen der Nation. Sei’s drum, wo das Smartphone aufhört, fängt das Zubehör an und das besteht beim ThinQ aus einem Ladegerät in zwei Teilen, In-Ear-Kopfhörern aus dem eigenen Haus inklusive zusätzlicher Ohrpassstücke, einem SIM-Tool, einem Putztuch und den üblichen Kurzgeschichten zu Quick Setup und Garantie. So weit ist also alles ganz schick und klassentypisch.
Design Das blau-graue Schlanke mit der nachgiebigen Rückseite
Beim Design wagt LG wenig Innovation, setzt aber dafür auf Präzision und Hochwertigkeit. Das mag zwar bei den recht unspektakulären verfügbaren Farben noch nicht auffallen, bei den Gerätemaßen tut es das aber eindeutig. So präsentiert LG mit dem G7 ThinQ einen 6,1-Zöller mit gerade einmal 153 Millimetern Länge und 72 Millimetern Breite, der noch dazu recht leichte 162 Gramm auf die Waage bringt. Auch die Gehäusetiefe fällt mit knapp 8 Millimetern angenehm gering aus. Das G7 liegt dadurch absolut angenehm in der Hand und lässt sich beeindruckend komfortabel bedienen.
Auch bei der Materialwahl beweisen die Südkoreaner ein sicheres Gespür. Mit runden, geschwungenen Kanten aus Aluminium und Vorder- und Rückseite aus Glas tritt das ThinQ stilsicher und vor allem robust auf. Ein kleines Kuriosum finde ich dennoch: Die Rückseite lässt sich ein wenig eindrücken, sodass das Smartphone an der Stelle ein wenig zu „plastisch“ wirkt. Aber vielleicht dient’s ja der Robustheit und Stoßsicherheit. Wasserdicht nach IP68 ist das G7 übrigens auch, was der bündig eingebundene und entsprechend abgedichtete Kartenslot belegt.
Jenseits davon findet ihr LG-typisch an der linken Seite die Laut- und Leise-Taste als jeweils einzelnen Button. Darunter wartet noch ein Google-Assistant-Knopf auf seinen Einsatz. Rechterhand gibt’s nur den Power-Button, der aber ebenso filigran und elegant in die Gehäusekante eingebunden ist wie die restlichen Buttons. Was noch zu erwähnen wäre: Die Doppel-Cam prangt ein klein wenig erhaben hinten oben am Smartphone und positioniert sich oberhalb des Fingerabdrucksensors. An der Unterkante finde ich den Mono-Speaker, den USB-C-Anschluss und erfreulicherweise noch die nostalgisch-altmodische Kopfhörer-Buchse.
Ein absolut geniales Smartphone-Display
Dass das Display 6,1 Zoll und damit 15,5 Zentimeter auf die Diagonale bringt, habe ich ja bereits erwähnt. Dabei hat LG auf eine maximale Ausnutzung der Bildfläche geachtet und dem Display lediglich minimale Ränder zur Seite gestellt – wenn man einmal von der geschmacksabhängigen Notch absieht, die ihr aber bei Bedarf mit einem schwarzen Balken hinterlegen und so verschwinden lassen könnt. Ich empfand ihn nicht als störend.
Ebenso wenig fand ich irgendwelche Nachteile bei Kontrasten, Farben, Blickwinkelstabilität oder Detailgrad. Das Bild, das mir das LG G7 ThinQ auf das Panel zaubert, sieht aus allen Richtungen natürlich, kontrastreich und knackscharf aus. Kein Wunder, wartet das Display doch mit einer Auflösung von 3.120 mal 1.440 Bildpunkten auf. Wem das zuviel des Guten ist oder wer den Akku schonen möchte, kann getrost auf Full HD runtergehen. Der Bildqualität tut das nahezu keinen Abbruch.
Der Geniestreich ist den LG-Technikern aber bei der Displayhelligkeit gelungen: Zeitweise über 1.000 cd/m² strahlt das Panel ab – ein einzigartig gleißendes Ergebnis, das selbst der sommerlichsten Sonnenübermacht gewachsen ist. Allerdings bleibt die maximale Helligkeit nur wenige Minuten erhalten – um Prozessor, Akku und Augen zu schonen. Toll ist es dennoch, denn noch nie zuvor habe ich das Display im Außeneinsatz so bequem nutzen können. Wem übrigens die voreingestellten Farbwerte nicht ganz passen, der kann aus diversen Presets wie „Kino“ oder „Ökologisch“ seinen Favoriten wählen beziehungsweise die Farbtemperatur manuell wärmer oder kühler stellen.
G7 ThinQ & der Fluch der High-End-Standards
Was besitzen die meisten heutigen Premium-Smartphones im UVP-Segment über 700 Euro? Mindestens 64 Gigabyte Speicher, mindestens 4 Gigabyte RAM und möglichst den aktuellsten High-End-Prozessor. Das Problem an der Geschichte? Die Leistungsdaten sind meist weder ein Pro noch ein Con für ein Smartphone. Das trifft auch auf das LG G7 ThinQ zu. So gesehen, hat es alles, was ein aktuelles Telefon in seinem Preissegment braucht, leider sticht es aus der Masse auch nicht besonders hervor. Lediglich der für LG typische Preisverfall dürfte schnell dafür sorgen, dass das G7 bald die meiste Leistung fürs Geld bringt.
Sehen wir es aber einmal von der positiven Seite, liegt mein Testgerät im AnTuTu-Benchmark bei ordentlichen 231.454 Punkten und landet damit unter den Top 15 der aktuellen Smartphones. Samsung, Sony und Xiaomi ziehen zwar vorbei, aber dennoch ist der erreichte Wert für den Alltag mehr als brauchbar. Games, klassische Produktivanwendungen, Multitasking: Das ThinQ meistert alle Anforderungen zuverlässig. Außerdem sind die internen Ressourcen, zumindest der Flash-Speicher, per microSD erweiterbar. Das hat schließlich Huawei bei seinem Smartphone des Jahres gekonnt unter den Tisch fallen lassen.
Recht gewöhnlich kommt allerdings wieder der Akku des Smartphones mit 3.000 Milliamperestunden daher. Zwar geht das Laden per Quick Charge oder kabellosem Qi-Standard recht komfortabel von der Hand, dafür muss das LG G7 aber auch täglich an die Zapfstation. Auch hier kann sich das High-End-Phone nicht von der Masse absetzen.
Schicke Ordner, viele Einstellungen: LG-Smartphone mit Android 8
Mein Testgerät hat es bis dato immerhin zu Android 8.0 geschafft und die relativ aktuelle Software bringt zusammen mit dem LG-UI ein wahres Füllhorn an Detaileinstellungen mit. Dabei muss ich zunächst ein Wort zur Optik verlieren: Irgendwie bin ich hin- und hergerissen, was die Gestaltung der Interfaces angeht. Einerseits liefert LG mit leichten, geradlinigen Schriften oder zum Beispiel der Ordnerüberschrift und dem daneben platzierten Auswahl-Plus für die zum Ordner gehörigen Apps ein sehr elegantes und funktionales Allgemeinbild. Andererseits sehen viele App-Icons ab Werk wie Relikte einer vergangenen Kleinkinder-Android-Ära aus. Das geht besser.
Was jedoch kaum besser geht, ist der Detailgrad und die Funktionstiefe, die mir das LG G7 ThinQ liefert. Von den Darstellungsoptionen über die Konnektivität und die Sicherheitseinstellungen bis hin zu Energiesparfunktionen und diversen Erweiterungen: Wer in den Einstellungen suchet, der findet mit Garantie seine benötigte Option. LG packt dabei nicht alles auf eine Seite, sondern untergliedert das ganze noch in die Tabs „Netz“, „Ton“, „Anzeige“ und „Allgemein“. Dennoch sind die gerade nötigen kleinen Details meist nur per Suchfunktion in angemessener Zeit zu finden. Wem diese Einstellungen noch nicht reichen, der tippe einfach noch sieben Mal im System auf die Build-Nummer und schalte damit gefühlt hunderte Entwickleroptionen frei.
An dieser Stelle möchte ich noch auf die handvoll Apps hinweisen, die ebenfalls vorinstalliert sind und für meinen Geschmack nicht nötig gewesen wären. Aber ganz ohne Bloatware geht es eben auch bei LG nicht.
HDR-Infiltration & Low-Light-Diskrepanzen: Die ThinQ-Kamera
In die Kamera des LG G5 hatte ich mich seinerzeit sofort verliebt: Da die Hauptlinse um einen 130-Grad-Weitwinkel ergänzt wurde und die Bilder ziemlich detailreich und farbenfroh daher kamen, konnte LG damals in meiner fotonostalgischen Verklärtheit punkten. Aber schon der Nachfolger zog das schöne Erbe hinab in den Pixelmatsch und leider hat sich auch beim G7 ThinQ nicht viel gebessert.
Klar, beide Sensoren haben jetzt 16 Megapixel und die Weitwinkelknipse darf sogar auf ihren eigenen Sensor zurückgreifen. Auch klingen die Blendenwerte von f/1,6 (Standard) und f/1,9 (Weitwinkel) überaus respektabel. Aber was die Software da aus den Daten macht, die auf den Sensor treffen, konnte mich schon auf dem Smartphone-Display nicht überzeugen. Zunächst musste ich den HDR-Modus deaktivieren, der netterweise immer automatisch dazwischen grätschte. Das Ergebnis: Im Detail herrschte flächendeckendes Chaos. Will sagen, die Details gibt es kaum noch, alles wird matschig und verschwimmt. Doch auch nach der Deaktivierung kamen die Bilder zwar ordentlich gesättigt und kontraststark, aber im Detail ziemlich arm daher. Noch schlimmer wurde es bei Low Light, denn hier machte die Software jedem Rauschen den Garaus – und schickte die Details ins Jenseits.
Hinzu kommt, dass beim Weitwinkel von den 130 Grad des G5 nur noch 107 Grad übrig sind. Der Fun-Faktor schwindet. Da können auch das detaillierte Kamera-Interface, die Möglichkeit, im Raw-Format zu speichern (im manuellen Modus) und die guten Video-Optionen bis 4K nur noch wenig retten. Und zu guter Letzt ist da ja noch die AI, die die Szenen analysieren und die passende Voreinstellung wählen soll. In meinem Test hat das mehr schlecht als recht funktioniert beziehungsweise bin ich wohl zu sehr manueller Fotograf, um die teils seltsamen und unausgewogenen Voreinstellungen gut zu finden. Liebe Freunde von LG: Ein bisschen mehr G5 beim nächsten Mal, bitte.
Sound Gute Sprachqualität, aber die Boombox ist gewöhnungsbedürftig
Damit stünde noch das leidige Thema Audio-Qualität zur Debatte. Hier hat sich LG etwas einfallen lassen, was besonders den Sound-Genießer ansprechen soll: das Boombox-Design des verbauten Mono-Lautsprechers. Im Groben funktioniert das so, dass das Gehäuse des G7 ThinQ als Resonanzkörper genutzt wird und somit einerseits den Sound verstärkt, andererseit aber auch die Übertragung der Klangwellen auf umliegende Körper ermöglicht. Ohne Fachchinesisch: Legt das G7 auf einen Hohlkörper wie z.B. einen Schrank, eine leere Kiste oder einen Gitarrenkorpus und ihr erhaltet ein sattes Klangbild.
Im Test hat das ganz gut funktioniert und die Kombi aus vollem Klang und beachtlich hoher maximaler Lautstärke hat durchaus Potenzial zur Ruhestörung. Dennoch hat mich das Feature weniger überzeugt. Ich höre nun mal Musik nicht aus dem Mono-Speaker eines Smartphones und wenn ich Ton brauche, dann meist zu einem Video, und ich hätte das Smartphone dabei schon gern in der Hand. Dann jedoch scheppert das ThinQ mächtig, klingt zuweilen nach altem Transistorradio und vibriert munter vor sich hin. Dann lieber doch per Kopfhörer, die dank Quad-DAC-Verstärker ziemlich stattlich bespielt werden.
Zu guter Letzt noch ein Wort zum Telefonie-Sound: Den fand ich während des Tests recht gelungen und dem Preisniveau angemessen. Umgebungsgeräusche filtert das G7 ThinQ gut raus und überträgt das gesprochene Wort ordentlich differenziert und laut. Unabhängig von der Umgebung war das Telefonieren mit dem LG-Smartphone eine recht angenehme Erfahrung.
Fazit Tolles Design, überragendes Display, durchschnittlicher Rest
LG versucht es immer wieder im Premium-Segment. Und auch wenn die Südkoreaner keinen vergleichbaren Siegeszug hinlegen können, wie zum Beispiel Huawei, so liefern sie doch durchdachte und reizvolle Alternativen zu P20, Galaxy S9 und Co. Mit dem G7 ThinQ ist das meiner Meinung nach vor allem in drei Aspekten gelungen. So überzeugt das Design mit Hochwertigkeit und gelungener Material- und Formwahl. Auch beim Software-Design geht der gute Eindruck weiter. Zu guter Letzt muss das Display erwähnt werden, das bei Auflösung, maximaler Helligkeit und Einstellmöglichkeiten deutlich an der Konkurrenz vorbeizieht.
Jenseits davon verliert sich das G7 leider in Standards und Fragwürdigkeiten. Die Hardware ist zwar rundum aktuell und ausreichend, aber sie kommt zu brav und unspektakulär daher. Die Kamera verspielt den tollen Weitwinkel des G5 zugunsten einer leicht besseren Bildqualität, macht diese aber durch HDR, AI und Software-Hyperaktivität bei Low Light wieder wett. Und auch die bereits auf der Schutzverpackung des ThinQ angepriesene Boombox hat mich nicht wirklich überzeugen können. Damit ist es wohl wieder einmal am Nutzer, der entscheiden muss, wofür er die aktuell 600 Euro ausgeben will. Wer nicht die allerbeste Kamera und das Nonplusultra an Leistung benötigt, wird dennoch mit dem LG G7 ThinQ glücklich werden.