Raspberry Pi – Mini-PC und das beste Mediacenter
Raspberry Pi – Mini-PC und das beste Mediacenter
Der Raspberry Pi war vor einiger Zeit häufig in den Medien zu sehen: eine kleine Platine mit aufgelöteten Komponentenanschlüssen, die einen ganzen PC darstellen sollte. Von vielen wurde der Raspberry Pi belächelt und nicht wirklich ernst genommen.
Zugegeben: Auch ich war skeptisch und sah den Raspberry Pi eher als Gadget oder Spielzeug. Dennoch schaute ich mir die Entwicklung weiter an und überlegte, ob man ihn nicht doch sinnvoll einsetzen könnte und nicht nur als Spielzeug nach drei Tagen in der Ecke liegen lassen würde.
Inzwischen gibt es eine neuere Version, die etwas mehr Leistung und mehr Anschlüsse bietet. Außerdem ist der Preis von anfänglich knapp über 50 Euro auf inzwischen etwa 35 Euro bei Cyberport gesunken. Dies war der ausschlaggebende Punkt: Ich wollte nicht mehr warten und spekulieren, sondern habe zugeschlagen und stelle ihn euch nun hier vor.
Smart-TV für die Hosentasche
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Preis
Größe
Stromverbrauch
Funktionen
Einsatzmöglichkeiten
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Kein Ausschalter
Technische Details
Fangen wir mit den unwichtigeren technischen Details an. Warum ich diese für eher unwichtig halte? Aktuell werden besonders Smartphones oft rein nach ihren technischen Details bewertet und weniger nach der eigentlichen Praxisleistung, die man wirklich braucht.
Der Raspberry Pi besteht ähnlich wie ein „echter PC“ aus einer Hauptplatine. Auf dieser ist ein ARM-1176JZF-S-Prozessor mit 700 MHz Taktfrequenz verbaut, der sich zusammen mit dem VideoCore-IV-Grafik-Chip von Broadcom 512 MB Arbeitsspeicher teilt. Auch wenn man die CPU sehr leicht auf bis zu 1,5 GHz übertakten kann, klingt das wahrlich nicht nach einem PC, mit dem man Full-HD-Filme streamen könnte. Warten wir aber den weiteren Test ab.
Konnektivität Anschlüsse
Neben der somit vollständigen Recheneinheit fehlen nun nur noch die Anschlüsse. Ebenfalls fest auf der Platine verbaut ist ein microUSB-Anschluss für die Stromversorgung. Mit einem Verbrauch von bis zu 3 W dürfte dies schon einmal der stromsparendste PC überhaupt sein, aber dazu später mehr.
Um auch ein Bild übertragen zu können, stehen ein Composite-Anschluss (Cinch) sowie ein vollwertiger HDMI-Anschluss zur Verfügung. Damit lässt sich der Raspberry Pi direkt an den Fernseher anschließen und überträgt das Bild in Full HD. Der Sound wird somit ebenfalls direkt an den TV übertragen oder kann wahlweise über einen 3,5 mm-Klinke-Anschluss übertragen werden.
Externe Festplatten, USB-Sticks oder bei Bedarf auch eine Maus oder Tastatur lassen sich über zwei USB2.0-Schnittstellen anschließen, die ebenfalls verbaut sind. Diese könnte man mit einem USB-Hub erweitern, sollte dies notwendig sein.
Um auch Daten aus dem Internet oder dem eigenen Netzwerk zu empfangen, ist ein herkömmlicher Netzwerkanschluss vorhanden, der für 10/100 MB ausgelegt ist.
Auf WLAN muss man werkseitig leider verzichten, das lässt sich aber durch ein erhältliches WLAN-Doogle per USB nachrüsten. Somit ist fast alles vorhanden, was man für einen kompletten PC braucht.
Was jetzt noch fehlt, ist ein Betriebssystem auf einer SD-Karte, die ebenfalls direkt auf dem Raspberry Pi Platz findet.
Software
Anders als bei einem PC wird das Betriebssystem hier auf einer SD-Karte gespeichert und nicht wie gewohnt auf einer Festplatte. Die SD-Karte sowie das System selbst sind jedoch nicht im Lieferumfang enthalten. Hier sollte man sich also noch eine SD-Karte besorgen, die mindestens 2 GB groß ist und schnelle Zugriffszeiten bietet.
Eine Class10-SD-Karte empfiehlt sich hier besonders, da dies ausschlaggebend für die Performance des Raspberry Pi sein kann.
Welches Betriebssystem man wählt, ist rein vom Anwendungsgebiet abhängig. Alle können kostenlos heruntergeladen werden. Ein kleines Linux-System, das speziell für den Raspberry Pi optimiert ist und schon sehr nach Windows XP aussieht, steht zum Download bereit. Damit kann man durchaus im Internet surfen oder Texte schreiben. Auch wenn dies teilweise sehr langsam läuft, lassen sich einfache Aufgaben problemlos erledigen. Ein kleiner Store mit kostenlosen Programmen für jede Gelegenheit wird ebenfalls zur Verfügung gestellt.
Ich entschied mich für das XBMC-Betriebssystem, das als Mediacenter gedacht ist. Dies ist eine reine grafische Oberfläche, die speziell für den TV-Einsatz konzipiert und sogar vollständig mit der TV-Fernbedienung bedienbar ist. Maus und Tastatur sind hier überflüssig und die ganze Darstellung ist darauf optimiert, dass man den Raspberry Pi bequem vom Sofa aus bedienen kann.
Möglich macht das der CES-Standard, der die Signale von der TV-Fernbedienung direkt über das HDMI-Kabel an den Raspberry weiterleitet.
Betriebssystem XBMC-Mediacenter
Doch was ist am XBMC besonders und lohnt sich der Einsatz am Smart TV? Ich war hier selbst skeptisch, da ich einen Smart TV nutze und dieser bekanntlich die meisten Funktionen und Apps bereits integriert hat.
Die grundlegende Funktion des XBMC ist die Wiedergabe von Videos aus verschiedensten Quellen. Über das Netzwerk lassen sich alle nur erdenklichen Videoquellen einbinden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Videos sich auf einem NAS-Speicher, einem PC im Netzwerk oder auf einem FTP-Server im Internet befinden. Alle erdenklichen Quellen lassen sich im XBMC einbinden und jederzeit abrufen.
Dies geschieht kinderleicht und selbsterklärend: Einfach über das Menü „Video“ auf „Dateien hinzufügen“ klicken, aus einer Liste der möglichen Quellen die entsprechende heraussuchen und speichern. In meinem Fall habe ich einen Windows-PC im Netzwerk mit einem freigegebenen Ordner, auf den ich jederzeit über den Raspberry Pi zugreifen kann.
Das Besondere dabei ist die Darstellung der Bibliothek. Hier werden importierte Filme nicht einfach nur mit einem Dateinamen angezeigt, sondern es werden über eine Filmdatenbank Informationen dazu abgerufen, die sehr ansehnlich präsentiert werden. Neben aktuellen Bewertungen, Informationen zu den Darstellern oder einer kurzen Filmbeschreibung werden auch die Coverbilder geladen und man kann sich sogar aktuelle Trailer ansehen.
Außerdem gibt es eine Vielzahl von Ansichten, zwischen denen man wechseln kann. Es wird angezeigt, welchen Film man bereits gesehen hat und man kann bereits angefangene Filme direkt an der letzten Stelle fortsetzen. Auch die Suche und Sortierung nach Genre, Darstellern oder Datum und vielem mehr ist möglich.
Nach dem Import kann man außerdem den Inhalt festlegen. Handelt es sich um eine Serie, wird diese im Hauptmenü gesondert aufgelistet. Dort wird zwischen Filmen, TV-Serien oder Musik unterschieden, um den Inhalt einzuordnen. Eine TV-Serie listet dabei die einzelnen Staffeln auf, während die Filmbibliothek alle Filme in einer Übersicht darstellt. Ob man die Cover-Ansicht, die Listenansicht mit Vorschaubild und Beschreibung oder eine der vielen anderen Ansichten wählt, ist reine Geschmackssache.
So übersichtlich und schön schafft es bisher kein anderes Programm, die eigenen Bibliotheken darzustellen.
Erweiterung XBMC Add-ons
Neben den eigenen Bibliotheken hat man mit XBMC Zugriff auf zahllose Add-ons, die direkt über das Menü geladen werden können. Diese ermöglichen den Zugriff auf diverse Videoquellen und sogar Spiele, benötigen natürlich aber eine Internetverbindung.
Mit wenigen Klicks landet man auf YouTube, MyVideo, der ARD- oder MDR-Mediathek, GIGA.de, sogar dem beliebten Gronkh.de und so ziemlich jeder Quelle, die es im Internet zu finden gibt. Auch Musiksender wie Putpat oder MTV, Nachrichtensender wie NTV oder N24 oder Sportsender stehen zur Verfügung und sogar die iTunes-Bibliothek kann aufgerufen werden.
Die Vielfalt ist nahezu unbegrenzt und kann kaum ausgeschöpft werden. Sollten doch mal die zahllosen Quellen von XBMC nicht mehr ausreichen, lassen diese sich sogar problemlos durch weitere Quellen ergänzen. Eine kleine Auswahl der aktuellen XBMC-Add-ons findet man hier.
Eine Quelle wie YouTube ist sicher auf dem Smart TV bereits vorhanden, lässt sich aber oft nur langsam und schlecht bedienen. Besonders die Suche über die Fernbedienung ist oft umständlich. XBMC ist dagegen speziell dafür optimiert und ein Wechsel zwischen den Apps wie beim Smart TV ist nicht notwendig, da alle Quellen in einer Ansicht zur Verfügung stehen, egal ob eines der Add-ons oder eine eigene Bibliothek. Außerdem rüstet es jeden TV ohne Internet oder Apps damit aus, was den Kauf eines neueren Modells überflüssig macht.
Performance Performance
Je nach Anwendung lastet man den kleinen Raspberry Pi natürlich schnell aus. Dennoch läuft er angenehm flüssig und zuverlässig. Besondern im Betrieb mit dem XBMC gibt es keine Probleme. Die Installation von Add-ons dauert relativ kurz, danach läuft alles sehr angenehm.
Videos starten schnell und werden problemlos und ruckelfrei in Full HD dargestellt. Es macht deutlich mehr Spaß als auf jedem Smart TV und die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. Gestartet ist er auch schnell und die Bedienung per TV-Fernbedienung funktioniert problemlos.
Solange man keinen High-End-PC erwartet, wird man hier sicher nicht enttäuscht.
Besonderheiten Besonderheiten
Der Raspberry Pi wird in der einfachen Version ohne Gehäuse oder Stromkabel geliefert. Sofern man ein microUSB-Kabel übrig hat, sollte es kein Problem sein, das Gerät in Betrieb zu nehmen.
In jedem Fall lohnt sich ein Gehäuse. Ob man dieses kreativ selbst baut oder ein fertiges kauft, bleibt jedem überlassen. Im Internet findet man die kuriosesten Gehäuse und Bauanleitungen. Eine einfache Möglichkeit wäre das Komplettset von Cyberport, in dem der Raspberry Pi zusammen mit Gehäuse und Netzteil geliefert wird.
Zu erwähnen ist noch die Tatsache, dass der Raspberry Pi leider keinen Ausschalter hat. Angeschaltet wird er durch einfaches Einstecken des Netzteils, zum Beenden heißt es Herunterfahren und das Netzteil wieder herausziehen. Alternativ kann man ihn auch direkt über den TV mit Strom versorgen und somit automatisch einschalten lassen, wenn der TV startet.
Der größte Vorteil dabei ist der geringe Stromverbrauch von gerade mal 3 W. Im Vergleich brauch ein PC im Durchschnitt gern mal 100 W. Ein dauerhafter Betrieb des Raspberry Pi sollte also auf der Stromrechnung kaum auffallen, während andere Geräte den Zähler rennen lassen.
Außerdem hat er dank des kleinen CPU keine aktive Kühlung. Damit bleibt er komplett lautlos und ist auch bei einem Stummfilm nicht zu hören. Das Rauschen der PC-Lüfter dagegen ist oft störend.
Neben der TV-Ansicht ist es auch möglich, Web-Server, FTP-Server oder sogar einen SSH-Zugang freizugeben. Somit kann man den Raspberry Pi sogar über den Browser steuern oder Filme direkt dort aussuchen und dann am TV wiedergeben. Auch der Zugriff über das Windows-Netzwerk ist möglich und eine Airplay-Funktion ist ebenfalls integriert. Auch dies sind nur Auszüge der Möglichkeiten, die bereits integriert sind.
Fazit
Das Zusammenspiel zwischen Raspberry Pi und der XBMC-Software gelingt perfekt. Der Raspberry stattet jeden TV mit sämtlichen Funktionen aus, von denen ein Smart TV nur träumen kann. Wie man den Raspberry einsetzt, bleibt jedem selbst überlassen, da die Möglichkeiten sehr vielfältig sind. Ich könnte hier noch ewig weiter über mögliche Funktionen schreiben.
Die Einrichtung ist sehr einfach und die Community für eventuelle Fragen sehr groß. Bedenkt man, dass aktuelle Mediaserver oft über 100 Euro kosten und nicht ansatzweise die Funktionalität des Raspberry bieten, stellt sich nur noch die Frage, warum das Gerät noch nicht in jedem Haus steht. Sicher schrecken die vermeintlich geringe Leistung oder die Tatsache, dass es sich um eine reine Platine handelt, etwas ab.
Kauft man jedoch gleich das Set mit Gehäuse und Netzteil, gibt es kaum noch einen Unterschied bis auf den Preis, der unschlagbar bei 57,90 Euro im Set oder einzeln für 34,90 Euro liegt.