Raw bezeichnet Dateiformate bei digitalen Foto- und Filmkameras, bei denen die Bilddaten nach ihrer Digitalisierung ohne Bearbeitung oder Komprimierung auf dem Speichermedium abgelegt werden. Auch die Begriffe Rohdatenformat oder digitales Negativ finden für Raw-Dateien Verwendung. Der Begriff des digitalen Negativs ist dabei eine Analogie zur klassischen nicht-digitalen Fotografie, da auch dort das Negativ noch nicht das Bildendprodukt darstellt und eine zusätzliche Weiterbearbeitung nötig ist. Die Rohdaten der aufgenommenen Bilder werden in der Regel um weitere Daten ergänzt, wie z.B. Metadaten (Datum, Zeit und Ort der Aufnahme) oder Vorschaubilder zur sofortigen Begutachtung der Fotos in der Kamera. Trotz der identischen Verarbeitung der Bildinformationen in den Sensoren der Kameras verschiedener Hersteller hat sich noch kein Raw-Format als Standard etabliert. Zu den bekanntesten Raw-Formaten gehören Canons .crw, Adobes .dng und Nikons .nef.
Kameras ohne Raw-Unterstützung speichern nicht alle Informationen, die der Bildsensor liefert; in der Regel werden nur wenige Parameter der Bildmessung in die Datei geschrieben, um die Dateigröße gering zu halten. Wenn eine Digitalkamera die Bilddaten des Sensors in das JPEG-Format umwandelt, bleiben z.B. pro Farbkanal nur 256 Helligkeitsabstufungen erhalten; bei Kameras, die mit dem Raw-Format arbeiten, sind bis zu 16.384 Helligkeitsabstufungen möglich. Raw-Dateien bieten immer eine größere Detaildichte und weitreichende Möglichkeiten der Nachbearbeitung. Die digitalen Rohdaten liegen nach dem Speichern jedoch in einem proprietären Format vor, das heißt, die Kamerahersteller legen den Aufbau der eigenen Bildformate nicht offen, sodass für die Verarbeitung der Bilder ist eine herstellerabhängige Software notwendig. Professionelle Bildbearbeitungstools wie Adobe Lightroom oder Apples Aperture verfügen über integrierte Raw-Konverter für das Einlesen von Rohdatenformaten verschiedener Kamerahersteller; neue Raw-Formate werden durch Updates in die Programme integriert.
Bei Aufnahmen im Rohdatenformat speichert die Kamera lediglich drei Bildparameter in die Datei: die Belichtungszeit, die Blende und die Lichtempfindlichkeit (ISO). Alle anderen Aufnahme-Attribute werden erst bei der anschließenden Weiterbearbeitung festgelegt; somit wird eine hohe Flexibilität beim Entwickeln erreicht. Bei JPEG-Bildern hingegen sind wichtige Daten des Bildsensors wie die Farbsättigung, der Weißabgleich und der Kontrast nicht in der Datei verankert; die Kamera fixiert jeweils nur einen arbiträren Messwert und nicht das gesamte Messspektrum. Die Bearbeitungsschritte sind bei JPEGs nicht reversibel, das fertige Bildprodukt wird sofort auf den Speicherchip geschrieben. Jedoch ist die Dateigröße dank der wenigen Zusatzinformationen gering. Zwar ist auch eine Nachbearbeitung von JPEG-Fotos möglich, jedoch bietet sich durch die wenigen Dateninformationen ein wesentlich geringerer Gestaltungsspielraum; zudem ist immer mit Verlusten an Fotodetails zu rechnen. Dies äußert sich beispielsweise in Artefakten in kontrastschwachen Bildbereichen, da eine spezifische Farb- und Tonwertdifferenzierung durch die fehlenden Bildinformationen nicht gegeben ist.
Beim Rohdatenformat unterbleiben die nicht reversiblen Prozesse der Fixierung von Weißabgleich und Co. und ermöglichen vielfältige Bearbeitungsmöglichkeiten, da die Bilddatei selbst immer unangetastet bleibt und die einzelnen Bearbeitungsschritte verlustfrei rückgängig gemacht werden können. Aufgrund der gespeicherten Informationen in Raw-Bildern sind die Dateien wesentlich größer als Ihre JPEG-Pendants, selbst Fotos in einer verlustarmen JPEG-Komprimierung belegen nur ein Drittel des Speicherplatzes eines entsprechenden Raw-Bildes. Dank größerer Kapazitäten und schnellerer Schreibgeschwindigkeiten der Speicherkarten sind heutzutage auch für Privatanwender ausgedehnte Fotoshoots im Rohdatenformat möglich.
Bis Anfang der 2000er Jahre wurde das Raw-Format nur im professionellen Bereich verwendet, da es als Standard bei digitalen Spiegelreflexkameras galt. Besonders der geringe Verlust an Bildinformationen und die vielfältigen Möglichkeiten der Bildbearbeitung sprachen Profi-Fotografen an. Auch bei semiprofessionellen Kameras etablierte sich sich das Raw-Format im Laufe der Zeit. Durch die gesteigerte Popularität von digitalen Spiegelreflexkameras und Foto-Trends wie der HDR-Technik nutzen auch immer mehr Privatanwender die Vorteile des Rohdatenformats. Im Gegenzug bewarben die Kamerahersteller das Feature gezielt als Unterscheidungsmerkmal zu günstigen Kompaktkameras. Das Raw-Format findet sich seit Ende der 2000er Jahre in der Mehrzahl der am Markt befindlichen digitalen Spiegelreflex- und Bridgekameras, doch auch hochpreisige Kompaktkameras und spiegellose Systemkameras beherrschen mittlerweile das Rohdatenformat und erlauben damit vielfältige Bearbeitungsmöglichkeiten.
Zuletzt aktualisiert am 10.11.2017 von Cyberport-Redaktion