Kaum ein Smartphone und kaum ein Hersteller hat in letzter Zeit mehr Schlagzeilen gemacht als das HUAWEI P30 Pro. Einerseits natürlich das Trump-Tohuwabohu, andererseits aber auch die Kamera. Seit einigen Jahren ist HUAWEI in einer Partnerschaft mit dem High-End-Kamerahersteller Leica. Und das merkt man.
Die letzten Wochen habe ich das HUAWEI P30 Pro gehabt, hauptsächlich um die Kamera auszuprobieren. Ich habe alle Kameramodi und -einstellungen auf Herz und Nieren geprüft und versucht, das Maximum herauszuholen. Und dann habe ich das noch mal getan, denn mit EMUI 10 und Android 10, welches mir in der Beta-Version zur Verfügung steht, hat sich einiges getan. Natürlich hatte ich aber auch meine SIM-Karte im Telefon und verliere ein paar Wörter über das Smartphone selbst. Den Abschnitt zum Pro-Modus der Kamera habe ich in einen separaten Artikel gepackt, der sich ganz der Raw-Fotografie mit dem Smartphone widmet. Achtung: Da ich das P30 Pro als ernstzunehmende Kamera betrachte, habe ich die Bilder in diesem Artikel größtenteils in Lightroom nachbearbeitet, gerade, wenn es sich um Raw-Dateien gehandelt hat.
Sechs Kameras? Welche Linse kann was?
Das Huawei P30 Pro verfügt über ganze sechs Kameras. Die erste ist dabei ganz traditionell die Selfie-Kamera, die mit 32 Megapixeln sehr hochauflösend ist und dank Blende f2.0 auch vergleichsweise viel Licht einfängt. Die zweite Kamera auf der Vorderseite ist unter dem Display und erkennt euren Fingerabdruck.
Fotografisch interessant wird es auf der Rückseite: Hier warten gleich vier Kameras auf euch. Die Standardkamera (Blende f1.6, 5,56 Millimeter Brennweite, auf Kleinbild umgerechnet 27 Millimeter), die für knackig scharfe Fotos und fantastische Nachtaufnahmen optimiert wurde. Eine Ultraweitwinkelkamera (Blende f2.2, 2,34 Millimeter, umgerechnet 16 Millimeter), die mehr an GoPro erinnert, Linien aber nicht ganz so stark verzerrt. Eine Kamera mit Tele-Objektiv (Blende f3.4, 14,46 Millimeter, entspricht 125 Millimeter), um das Geschehen näher ran zu bringen und eine “Time of Flight”-Kamera, die dem Smartphone verlässliche Tiefeninformationen gibt – wichtig für den Portrait-Modus.
Die drei bildgebenden Kameras auf der Rückseite verfügen alle über Autofokus, wobei die sekundären Kameras etwas langsamer als die Hauptkamera sind. Im Vergleich zu vielen Konkurrenten ist das dennoch eine große Steigerung, denn dort verzichtet das Ultraweitwinkel-Modul einfach auf den Autofokus. Sowohl die Tele- als auch die normale Kamera haben einen optischen Bildstabilisator – dieser ist besonders beim Zoomobjektiv sehr nützlich.
Die größte Beachtung in der Presse fand sicherlich die Tele-Kamera. Laut Huawei handelt es sich um einen fünffachen optischen Zoom, wobei üblicherweise der Unterschied zwischen den Brennweiten-Extremen gerechnet wird – das würde einen 7,8-fachen Zoomfaktor bedeuten. Normalerweise würde so etwas deutlich aus dem Smartphone abstehen oder ein sehr dickes Smartphone ergeben. Das Samsung Galaxy K zoom war zum Beispiel 1,66 Zentimeter dick. Um das P30 Pro dennoch 8,41 Millimeter schlank zu halten nutzt Huawei einen einfachen wie genialen Trick: Das Objektiv liegt samt Sensor quer im Smartphone. Über einen Prisma sieht der Sensor so die Außenwelt. Mit 8 Megapixeln ist die Auflösung ausreichend hoch, gibt aber wenig Spielraum, um weiter reinzuzoomen. Könnte man zumindest denken, denn gemeinsam mit der Hauptkamera und ordentlich Hirnschmalz rechnet er zahlreiche Bilder zusammen und erhöht so die Bildschärfe.
Meine Lieblingskamera ist allerdings die mit dem Ultraweitwinkel-Objektiv. Es macht einfach Spaß, mehr von der Welt zu sehen und außergewöhnliche Blickwinkel hinzubekommen. 20 Megapixel sind reichlich und bei Blende f2.2 kommt genug Licht auf den Sensor. Mit einer Brennweite von umgerechnet 16 Millimeter und gut korrigiert ist es zwar kein Fischauge (siehe GoPro oder euer Türspion), in den meisten Fällen ist das aber auch besser so, dadurch sind die Bildränder nicht völlig verbogen.
Eine wahre Technik-Tour-de-Force ist die Hauptkamera. Deren Sensor löst mit 40 Megapixeln auf, rechnet normalerweise aber je vier Pixel zusammen. Das sorgt für mehr Dynamikumfang, bessere Lichtempfindlichkeit und ermöglicht das stufenlose Zoomen, bis die Tele-Kamera erreicht ist. Apropos Lichtempfindlichkeit: Der Sensor ist eine Neuentwicklung, die statt auf grüne Filter auf gelbe Filter setzt – gelb schluckt einfach weniger Licht. Clevere Software errechnet dann, was eigentlich grün und was gelb sein sollte. Außerdem nutzt die Kamera ein 27-Millimeter-Objektiv mit Offenblende f1.6. Auch, dass der Sensor mit 1/1.7″ sehr groß ist, hilft bei Nachtaufnahmen. Üblicherweise ist das die Größenklasse von Premium-Kompaktkameras.
Den Abschluss macht eine „Time of Flight“-Kamera, die Abstände misst. So weiß das Smartphone an jedem Punkt, wie weit er entfernt ist. Wichtige Informationen, um einen zuverlässig funktionierenden Porträt-Modus zu ermöglichen. Da die Auflösung aber mit 240 mal 180 Pixeln recht niedrig ist, muss sich die Kamera-Software zudem Gedanken machen. An den Kanten kann es daher zu Fehlern kommen.
Die richtige Kamera für jeden Einsatzzweck
Nun habt ihr mit dem P30 Pro die Qual der Wahl. Welche Kamera verwendet ihr wofür? Zum Wechseln zwischen den Kameras drückt ihr auf die Punkte, die am unteren Rand des Displays angezeigt werden. Damit springt ihr direkt auf die tatsächlich vorhandenen Stufen. Die Punkte könnt ihr auch als Slider verwenden, um rein oder rauszuzoomen, wobei ihr dann eventuell einen digitalen Zoom einsetzt.
Schlechte Lichtverhältnisse > Hauptkamera
Für die beste Bildqualität, besonders bei schlechten Lichtverhältnissen, nutzt ihr nach Möglichkeit die Hauptkamera (1x Zoom). Sie sammelt das meiste Licht und erstellt bei guten Lichtverhältnissen unglaublich scharfe Fotos – besonders, wenn ihr in den Einstellungen auf 40 Megapixel stellt. Aber auch die auf 10 Megapixel runter gerechneten Aufnahmen schlagen Fotos von Kameras, die tatsächlich nur 10 Megapixel haben. Aufgrund der lichtstarken Optik und dem vergleichsweise großen Objektiv entsteht ganz natürlich ein unscharfer Bereich vor und hinter dem Motiv, der an professionelle Kameras erinnert. Besonders, wenn das Motiv nicht so weit weg ist.
Landschaften & Gruppen > der Ultraweitwinkel
Der Ultraweitwinkel (0,6x Zoom) gibt euch die Möglichkeit, auch größere Gruppen in kleinen Räumen zu fotografieren, beeindruckende Architektur und Landschaften einzufangen oder euch einfach kreativ auszutoben. Fotos wirken schnell dramatisch und energetisch, besonders, wenn ihr die Linien „kippen“ lasst, zum Beispiel etwas nach unten oder oben fotografiert. Hier ist Experimentierfreude angesagt. Möchtet ihr hingegen möglichst natürliche Bilder erreichen, achtet darauf, dass die Linien (zum Beispiel eines Gebäudes) nicht kippen.
Da der Autofokus etwas träge ist, lohnt es sich, nicht zu hastig zu sein beziehungsweise schon im vornherein durch Antippen zu fokussieren. Beachtet allerdings, dass die Kamera am Rand ziemlich verzerrt – Menschen, die ihr dort platziert, habt ihr offensichtlich nicht besonders gerne.
Konzerte & Co. > die Telelinse
Und das andere Extrem? Das ist bei fünffachem Zoom erreicht. Besonders, wenn ihr genug Licht habt, ist die Qualität bei dieser Zoom-Stufe viel besser als bei allen anderen Smartphones. Ich nutze sie gerne bei Konzerten und wenn ich einfach nicht nah genug an mein Motiv ran komme. Doch Obacht: Ist das Motiv zu nah oder sind die Lichtverhältnisse nicht gut genug, springt die Software auf die Hauptkamera und nimmt einen Ausschnitt. Das Ergebnis sind verpixelte Aufnahmen, die nach Digitalzoom aussehen. Zum Glück kann man den Qualitätsverlust schon auf dem Display erkennen.
Was mich sehr beeindruckt sind die Zwischenstufen: Bis zum zweifachen Zoom nutzt das P30 Pro die Hauptkamera, die dank der hohen Auflösung völlig dafür ausreicht. Eine Kamera mit zweifachem Zoom, wie bei anderen Smartphones beliebt, ist einfach nicht nötig. Bei Zoom-Level zwischen 3x und 4.9x kombiniert das P30 Pro die Haupt- und Zoom-Kamera. Das heißt soweit möglich wird der optische Zoom verwendet. Die Ränder werden von der Hauptkamera aufgefüllt. Den Übergang merke ich höchstens, wenn ich danach suche. Die Vorschau nutzt bei diesen Hybrid-Stufen die Hauptkamera, das Ergebnis sieht besser aus.
Scharfe Selfies
Und dann ist da noch die Selfie-Kamera: Die Ergebnisse sind in Ordnung, aber mangels Autofokus sind ganz weit entfernte Objekte unscharf. Ganz nahe auch. Am besten nutzt ihr eine Armlänge Entfernung.
Welchen Foto-Modus hättens denn gern?
Es stehen euch zahlreiche Modi zur Verfügung, zum Beispiel Foto, Nacht oder Pro. Nur welcher ist der Richtige? Das hängt immer davon ab, was ihr fotografiert und wie viel Arbeit ihr reinstecken wollt.
Erst einmal: Mit jeder Firmware-Version hat HUAWEI die App verbessert. Als ich das Smartphone auspackte, wurde der HDR-Effekt gröber angewandt und die Fotos sahen dank zu aggressiver Entrauschung mehr nach Bob Ross aus. Das ist jetzt viel besser geworden.
Foto
Foto steht beim P30 Pro für den normalen Modus. Hier entstehen schnell und unkompliziert ansehnliche Fotos mit schönen, natürlichen Farben. Falls nötig auch, indem schnell hintereinander mehrere Bilder geschossen und zusammengerechnet werden.
Porträt
Daneben ist Porträt, welcher ein paar Optionen bietet, um Menschen besser aussehen zu lassen. Neben dem in zehn Stufen einstellbaren Verschönerungseffekt, der die Haut glatt zieht, kann ich auch etwas Bokeh einbauen, von natürlich bis zur Herzchen-Form.
Blende
Ihr wollt den Look großer Kameras und schneller Objektive per schönem Bokeh, wünscht euch aber mehr Flexibilität oder wollt gerade keine Menschen fotografieren? Dann nehmt Blende. Die Stärke des Effekts stellt ihr ebenso wie die Brennweite ein, von einfachem bis dreifachem Zoom.
Nacht
Der Nacht-Modus vollbringt bei wenig Licht wahre Wunder. Dafür müsst ihr die Kamera ein paar Sekunden lang möglichst still halten. Als Lohn erhaltet ihr Fotos, die mehr zeigen, als euer Auge erkennt. Beachtet allerdings, dass der HDR-Effekt ziemlich stark sein kann. Apropos HDR – bei extrem kontrastreichen Szenen kann dieser Modus auch bei Tag Sinn ergeben.
Pro
Getreu dem Motto „alles kann, nichts muss“ habt ihr im Pro-Modus Zugriff auf manuelle Einstellungen. Viel Intelligenz setzt das P30 Pro dann nicht ein – schließlich seid ihr der Fotograf. Exklusiv in diesem Modus könnt ihr auch Raw-Fotos machen, die dann parallel zum JPEG gespeichert werden. Habt ihr keinen guten Grund, wie eine längere oder kürzere Belichtungszeit oder die Nachbearbeitung in Lightroom Classic und Co., empfehle ich allerdings bei Foto zu bleiben. Zum Pro-Modus gehe ich im nächsten Artikel näher ein.
Noch mehr Modi – Zeitlupe, Panorama & Co.
Und dann gibt es auch noch Mehr.
Zeitlupe
Hier versteckt sich die Zeitlupe, die allerdings nur 120 (Full HD) und 240 Bilder pro Sekunde (720p) schafft und mit Ultraweitwinkel und normaler Kamera funktionieren. Bei 960 Bildern pro Sekunde errechnet die Software Zwischenbilder. Wollt ihr tolle Zeitlupen, ist vielleicht das Mate30 Pro die bessere Wahl.
Panorama, Monochrom, AR-Objektiv, Sticker & Momente
Panoramas funktionieren wie gewohnt. Und auch Monochrom erledigt seine Aufgabe gut, wobei hier nochmals zwischen Normal, Blende, Porträt und Pro unterschieden wird. Letzterer muss aber auf Raw-Fotos verzichten. Sonst klappt aber alles wie erwartet. Das AR-Objektiv ersetzt euer Gesicht durch ein Tier, das eure Gestik imitiert. Sticker blendet Datum, Ort und Temperatur ein während Momente als Video anfangen und dann zum Foto werden.
Dokumente, Supermakro & Unterwasser
Dokumente ist praktisch, wenn es um das Digitalisieren von Dokumenten gibt – zum Beispiel um an einer Aktion (Link /angebote) teilzunehmen. Supermakro erzwingt den Einsatz der Ultraweitwinkel-Optik, mit dem ihr bis auf wenige Zentimeter an euer Motiv ran kommt. Verrückt wird es mit Unterwasser, welches mit einem speziellen Unterwassergehäuse von HUAWEI genutzt werden soll. Er legt die wichtigsten Bedienelemente auf die Seitentasten, denn der Touchscreen funktioniert unter Wasser vermutlich nicht richtig.
Zeitraffer & HDR
Ein paar Features setzen mich aber vor Fragezeichen. Zeitraffer ist von sehr eingeschränktem Nutzen, da ich weder die Auflösung (720p) noch die Geschwindigkeit verstellen kann. Die Belichtung springt viel zu schnell hin und her und längere Belichtungszeiten sind ebenfalls nicht möglich. Überrascht bin ich, als ich HDR lese. Ich dachte Foto und Nacht setzen das bereits ein? Und das besser, denn im Gegensatz zu HDR werden mehrere Aufnahmen erstellt, die App hat mehr Daten, mit denen sie arbeiten kann.
Lichtmalerei
Als letztes Feature möchte ich mein persönliches Highlight, die Lichtmalerei erwähnen. Ein Garant für beeindruckende Fotos. Hierfür benötigt ihr in jedem Fall ein Stativ, das Telefon darf sich auf keinen Fall bewegen. Ich aktiviere zudem den Timer, damit meine Smartphone-Stativhalterung etwas Zeit hat auszuschwingen. Als Nächstes wählt ihr aus, ob ihr Lichtspuren (vorbeifahrende Autos, die Streifen ziehen oder auch die Lichter beim Kirmes), Licht-Graffiti (wenn ihr zum Beispiel einzelne Objekte wie ein Auto anleuchten wollt), seidiges Wasser oder Sternspuren (durch die Erdrotation bewegen sich die Sterne, was nach einer Weile spektakulär aussieht) fotografieren wollt. Um den Rest kümmert sich das Telefon. Das Tolle daran? Ihr startet die Aufnahme und seht live eine Vorschau des bislang erstellten Fotos. Wenn ihr zufrieden seid, drückt ihr einfach auf Stopp. Mit meiner Spiegelreflex ist das viel komplizierter.
Der Foto-Modus im Detail
Im Foto-Modus, also der Vollautomatik, entstehen inzwischen ziemlich natürlich wirkende Fotos, die lediglich bei genauer Betrachtung als Smartphone-Fotos zu erkennen sind. Dann sehe ich, dass mir die Bilder etwas zu sehr entrauscht wurden. Manchmal erkenne ich zudem einen leichten HDR-Effekt – als ich das Telefon erhielt, war es noch richtig extrem. Ist es etwas zu dunkel oder sind die Kontraste in der Szene zu groß, bittet euch die Kamera still zu halten. Macht ihr das, werdet ihr mit rauschärmeren Bildern und mehr Dynamikumfang belohnt.
Optional aktiviert ihr die AI, die zum Beispiel erkennt, wenn ihr Essen fotografiert. Sie optimiert dann die Einstellungen. Wirklich viel scheint es meist aber nicht zu bringen, die Vollautomatik leistet auch so schon gute Arbeit. Witzig und praktisch, aber moralisch auch etwas zweifelhaft wird es, wenn die AI bei vollem Zoom den Mond erkennt. Der wird dann kurzerhand durch ein deutlich hochauflösenderes Bild ersetzt.
Viele Einstellungsmöglichkeiten gewährt euch HUAWEI nicht. Ihr könnt die Auflösung festlegen. Empfohlen wird bei Weitwinkel- und Tele-Kamera 10 Megapixel, beim Ultraweitwinkel hingegen 20 Megapixel. Bei der Hauptkamera stehen zudem auch 40 Megapixel zur Verfügung. Sobald ihr zoomt springt das Telefon aber wieder auf 10 Megapixel – die 40 Megapixel müsst ihr dann wieder in den Einstellungen aktivieren. Einen Selbstauslöser finde ich ebenfalls. Auch den Blitz kann ich ein- oder ausschalten. Oder aus einer Reihe von Looks auswählen. Die ersten drei sind Leica Standard, Leica lebhaft und Leica samtig. Es folgt zweimal schwarz-weiß und eine Reihe von „Instagram-Filtern“, die den Fotos zum Beispiel einen Vintage-Look geben.
Haltet ihr den Auslöser gedrückt, macht die Kamera nach einer kurzen Wartezeit Serienbilder. Bedenkt aber, dass das Telefon dann nicht in der Lage ist, mehrere Fotos zusammenzurechnen. Besonders helle Bereiche sind schneller überbelichtet. Apropos Auslöser: Auf Wunsch hört das Telefon mit und löst beim Wort „Cheese“ aus. Gruppen-Fotos, bei denen niemand fehlt, klappen so ganz gut.
In Sachen Fokus wird es interessant: Tippe ich auf einen Punkt auf dem Display, fokussiert die Kamera dorthin und gibt mir die Möglichkeit, die Belichtung anzupassen. Soweit so normal, doch möchte ich Nahaufnahmen machen, springt das Telefon automatisch auf den Ultraweitwinkel und versucht einen ähnlichen Ausschnitt wie bei der Hauptkamera zu nehmen. Dadurch kann das Telefon extrem nahe an das Motiv ran und mehr ist im Fokus. Nur will ich das nicht immer. Zum einen leidet die Bildqualität, da die Hauptkamera bessere Linsen und einen besseren Sensor besitzt, andererseits gefällt mir ja auch, dass eben nicht alles scharf ist. Außerdem wechselt das Telefon lange, bevor es nötig wäre und hängt noch deutlich länger in diesem Modus, als es nötig wäre. Viel lieber wäre es mir, wenn die App mich fragt, ob ich in den Supermakro-Modus wechseln möchte. Für Nahaufnahmen wechsle ich also, um Kontrolle zu behalten, auf Pro.
Smartphone oder Nachtsichtgerät?
Der Nacht-Modus vollbringt gerade bei schlechten Lichtverhältnissen Wunder. Aufnahmen dauern in der Regel ungefähr fünf Sekunden – was ein Countdown-Timer auch anzeigt. Und merkt das Smartphone, dass ihr es völlig still haltet, erhöht es bei Bedarf auf bis zu 50 Sekunden. Ein vorzeitiger Abbruch ist jederzeit möglich. Auf Wunsch könnt ihr ISO und die Belichtungszeit aber auch manuell ändern. Nötig ist das nicht, denn die Automatik leistet bereits gute Arbeit. Bei Szenen mit sehr hohem Dynamikumfang kann der Nacht-Modus auch tagsüber helfen. Der Nacht-Modus erkennt, wenn zum Beispiel Menschen nicht völlig still halten. Dann versucht er, das beste Zwischenfoto zu finden und nutzt dieses, um das sich bewegende Objekt einzufrieren. Das funktioniert gut, wobei es sein kann, dass dieser Bereich des Fotos dann stärker rauscht.
Bedenkt aber, dass die Fotos in diesem Modus nicht immer viel mit der Realität gemeinsam haben – der vor einigen Jahren so beliebte HDR-Effekt wird gerne auf die Spitze getrieben. Dafür ist nichts unter- oder überbelichtet. Und bei Nachtaufnahmen zeigt besonders die Hauptkamera, was sie kann – und schlägt manchmal sogar größere Spiegelreflexkameras. So rauscharm, scharf und farbenfroh sind die Fotos selbst bei miesen Lichtverhältnissen. Die Nachtaufnahme funktioniert mit allen Kameras. Ich empfehle den Einsatz mit der Ultraweitwinkel-Kamera, denn diese profitiert bereits bei schummrigen Licht von der längeren Belichtungszeit. Den fünffachen Zoom kann man allerdings ohne Stativ nicht ausreichend still halten.
Die Anschaffung eines kleinen Stativs kann ich beim Huawei P30 Pro sehr empfehlen. Mit den ganzen Kameras und den Lichtspur-Modi könnt ihr euch kreativ austoben.
Wenn ihr neugierig seid, was der Tiefensensor so sieht oder ihr in der Lage sein wollt, bei völliger Dunkelheit etwas zu sehen, dann probiert die App „Night Vision“ von Luboš Vonásek aus. Damit ihr das ganze Bild seht, müsst ihr erst einmal rauszoomen. Das Live-Bild besitzt sage und schreibe 240 mal 180 Pixel, die sich sogar von völliger Dunkelheit nicht beeindrucken lassen. Eine für den Menschen unsichtbare Lichtquelle ist eingebaut.
Sehr überzeugend: Der Portrait- und Blenden-Modus
Ein weiteres Highlight-Feature des P30 Pro ist der Blenden-Modus. Er funktioniert beeindruckend gut. Bei Porträts kann das Gesicht gestochen scharf sein, während die Schultern schon ein klein wenig unscharf sind und der Hintergrund völlig in Unschärfe (Bokeh) verschwindet – je nach Entfernung. Dabei nimmt das System auf Lichtquellen Rücksicht und simuliert die kreisrunden Scheiben, die dann entstehen. Sogar ganz leichtes Rauschen wird simuliert, damit das Ergebnis realistisch ist. Fehler sind erst rangezoomt zu erkennen.
Für die besten Ergebnisse empfehle ich euch, es mit dem Effekt nicht zu übertreiben. Das trifft besonders auf den einfachen Zoom hin, denn auch mit einer professionellen Kamera mit großem Sensor sieht man dann vergleichsweise wenig Bokeh. Euer Motiv sollte nicht zu weit entfernt sein – unter zwei Meter ist ideal. Der Hintergrund darf dabei deutlich weiter weg sein. Meistens wählen Fotografen längere Brennweiten wie 50 oder, besser noch, 85 Millimeter aus. Das entspricht in der App zwei- beziehungsweise dreifachen Zoom. Aber auch hier: Weniger ist mehr und sieht vor allem realistischer aus, da Fehler an den Kanten weniger auffallen.
Nutzt ihr die Hauptkamera ohne Zoom und ist das Motiv relativ nah an euch dran, bietet das P30 Pro auch ohne Blenden-Modus diesen cremigen Look großer Kameras. Achtet aber darauf, dass die Kamera nicht automatisch in den Makro-Modus wechselt sondern nutzt dann den Pro-Modus.
Und Action: Die Video-Funktionen
Videos dreht ihr unter Pro oder Video, wobei euch ersterer Zugang zum Weißabgleich, zum Fokus-Modus und zum Metering gibt – soll zum Beispiel nur ein kleiner Bereich in der Mitte oder das ganze Bild von der Belichtungsautomatik genutzt werden –, letzterer ein paar weitere Filter und die Ultraweitwinkel-Optik.
Die nicht abschaltbare Bildstabilisierung nutzt sowohl einen elektronischen Bildstabilisator als auch, bei Haupt- und Telekamera, einen optischen Bildstabilisator. Ersterer funktioniert, indem das Smartphone stets einen Ausschnitt des Sensors verwendet. Beschleunigungssensoren sagen dem Telefon, welcher Bereich verwendet werden soll. Diese Kombination funktioniert besonders bei gutem Licht hervorragend – das Ergebnis ist butterweich und kann bei der Hauptkamera und dem Ultraweitwinkel fast aussehen wie mit einem Gimbal. Ihr könnt dem Telefon helfen, indem ihr möglichst sanft und ohne Auf- und Abbewegung lauft. Ich gehe dafür ein wenig in die Knie und versuche einen Fuß vor den anderen zu setzen, als ob ich auf einer Linie laufe. Wird es dunkler, verzichtet ihr aber besser auf größere Bewegungen oder rumlaufen. Dank der längeren Belichtungszeiten sind dann kurz auftretende Bewegungsunschärfen vom Verwackeln nicht mehr zu verhindern. Das sticht sehr ins Auge.
Bei 4K-Videos seid ihr auf 30 Bilder pro Sekunde festgelegt. Suboptimal beim europäischen Stromnetz und wenn ihr einen Kino-Look erreichen wollt. Bei Full HD wählt ihr zwischen 30 und 60 Bilder pro Sekunde, letzteres eignet sich für eine leichte Zeitlupe.
Üblicherweise nutzt ihr bei der Belichtungszeit die Faustregel eins geteilt durch das Zweifache der Framerate, also beim P30 Pro 1/60stel beziehungsweise 1/120. Damit werden die Aufnahmen nicht zu abgehackt und sehen flüssiger aus. Schade, dass ihr im Pro-Modus nur indirekt, über die ISO, ein Mitspracherecht habt.
Dreht wenn möglich, also wenn ihr den Ultraweitwinkel nicht benötigt, im Pro-Modus. Dann könnt ihr nämlich Weißabgleich, Fokus und Belichtung durch kurzes gedrückt halten mit einem weißen Punkt markieren und so fixieren. Das sieht gleich viel professioneller aus.
Bei Videoaufnahmen neigt das Telefon dazu, vom fünffachen Zoom wegzuspringen. Zu nah am Motiv? Zu dunkel? Das Telefon wechselt zur Hauptkamera und nimmt einen Ausschnitt. Den Unterschied merkt ihr leider deutlich, spätestens auf einem großen Display. Es bleibt euch da leider nur, das nach Möglichkeit zu vermeiden.
Überhaupt, der Kamerawechsel: Mein Tipp ist es, die Zoomstufe vor der Aufnahme auszuwählen und dann dabei zu bleiben. Der Sprung, wenn das Telefon von Kamera zu Kamera wechselt, fällt auf.
Und sonst so? Rundum gelungenes Smartphone
Das P30 Pro bietet das Feinste vom Feinen. Flaggschiff-Prozessor, wenn auch vom letzten Jahr, ein fantastisches OLED-Display, 8 Gigabyte Arbeitsspeicher und 128 Gigabyte interner Speicher, erweiterbar mit speziellen Speicherkarten von HUAWEI. Angst hatte ich allerdings vor der Software.
Anfangs hat mich das P30 Pro zur Weißglut gebracht. Multitasking kann es scheinbar nicht. Programme werden wenige Sekunden, nachdem ich auf den Homescreen oder in eine andere App wechsle, beendet. Klar, HUAWEI will die Akkulaufzeit verbessern, verwandelt das Telefon dabei aber in ein Handy von 1999. Um dieses Verhalten auszustellen, muss ich zwei sehr gut versteckte Orte in den Einstellungen aufrufen. Und dann Geduld haben, weil das Telefon sich bei deren Umsetzung anscheinend etwas Zeit lässt.
Nachdem ich diese Einstiegshürde überwunden habe, macht mir das Telefon richtig Spaß. Die Hardware ist ein Traum: Die Performance ist und bleibt sehr hoch. Sogar die optionalen Gesten, die bei mir die Tasten unten ersetzen, funktionieren toll.
Den Fingerprint-Scanner im Display möchte ich gar nicht mehr missen. Die besten traditionellen Scanner sind noch etwas schneller, aber der Komfort, den Finger auf das Display zu legen, ist großartig. So kann ich schnell checken, ob etwas meine Aufmerksamkeit erfordert. Ich fass selbst bei meinem eigenen Smartphone inzwischen auf das Display, bis ich merke, dass dort ja nix ist. Auch der Lautsprecher für den Hörer ist unter dem Display. Anfängliche Skepsis hat sich nach dem ersten Telefonat aufgelöst, meine Gesprächspartner verstehe ich prima. Das Display selbst ist wie erwartet toll. Auch bin ich erstaunt, wie gut das Glas ist: Während andere Smartphones nach wenigen Wochen selbst bei sorgsamer Nutzung Mikrokratzer zeigen, sieht das P30 Pro länger wie neu aus.
Und die Akkulaufzeit? Trotz Apps im Hintergrund immer noch hervorragend und besser als bei jedem Smartphone, das ich bisher hatte. Einen Tag schafft das Gerät selbst bei intensiver Nutzung locker, auch zwei sind vermutlich kein Problem. Nur bei ausgiebigen Fototouren im Urlaub, wo die Kamera fast ständig an ist, könnte eine Powerbank nützlich sein. Das ist aber nicht alles: mit dem mitgelieferten Ladegerät wird mit bis zu 40 Watt aufgeladen – ein Wert, den man sonst von Notebooks kennt. In wenigen Minuten ist der Akku aufgefrischt.
Mit EMUI komme ich gut zurecht, Version 10 bringt noch ein paar Verbesserungen mit sich. Das System ist stabil und schnell. Sogar in der Beta-Version gibt es erstaunlich wenig Fehler.
Ein paar negative Punkte sind mir aber dennoch aufgefallen. Auch, wenn HUAWEI mit EMUI 10 den Filter gegen versehentliche Berührungen am Rand deutlich verbessert hat, kann es noch passieren, dass ich beim Hochheben des Telefons aus Versehen das YouTube-Video wechsle.
Und dann ist da der gedrehte Modus: Möchte ich im Querformat Benachrichtigungen ansehen, wird es schwer. Das Datum, die Quick-Toggles für WLAN und Co. sowie die Displayhelligkeit sind fix. Es bleiben ungefähr 30 bis 40 Prozent des Displays für die Inhalte, die mich interessieren.
Fehlt euch der App-Drawer, müsst ihr ihn lediglich in den Einstellungen aktivieren. Danach verschwinden die installierten Apps vom Homescreen. Sichtbar wird der App-Drawer mit einem Swipe von unten nach oben. Wische ich von oben nach unten erscheint eine Suchfunktion für Kontakte, Programme und Co.
Das waren meine Tipps und Tricks zur Kamera des HUAWEI P30 Pro. Wenn ihr noch Fragen oder Anregungen habt, schreibt mir gerne in den Kommentaren!
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Dieser Beitrag wurde von Daniel Wiesendorf veröffentlicht.
Daniel Wiesendorf hat bereits 15 Artikel geschrieben.
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